- innerdeutsche Grenze
- Zonengrenze (umgangssprachlich); deutsch-deutsche Grenze
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innerdeutsche Grenze,von 1949/52 bis 1989/90 bestehende befestigte Grenzlinie zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland; erhielt den Charakter einer Staatsgrenze, daher DDR-offiziell im Zuge ihrer auf Eigenstaatlichkeit gerichteten Politik »Staatsgrenze West« genannt. In der Bundesrepublik Deutschland bezeichnete das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 31. 7. 1973 zum Grundvertrag (21. 12. 1972 die innerdeutsche Grenze als eine »staatsrechtliche Grenze«, ähnlich den Grenzen, »die zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland verlaufen«. Im Sprachgebrauch der Bundesrepublik Deutschland setzte sich die Bezeichnung deutsch-deutsche Grenze durch.Hervorgegangen aus der 1945 festgelegten (noch unbefestigten) Grenze zwischen der SBZ und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands (Zonengrenzen) wurde die innerdeutsche Grenze als Teil des »Eisernen Vorhangs« Symbol der Spaltung Europas und Deutschlands. - Am 26./27. 5. 1952 wurde in der DDR mit der Errichtung einer 5 km breiten Sperrzone vor der innerdeutschen Grenze (später erweitert) begonnen, die dortige Bevölkerung wurde enteignet (»Mauergrundstücke«) und zwangsausgesiedelt, die Bewachung der Grenze (erster Schießbefehl) verstärkt. Am 13. 8. 1961, 0ºº Uhr, begann der Bau der Berliner Mauer. Danach wurde auf DDR-Seite ein verschärftes und in mehreren Stufen immer weiter ausgebautes Grenzregime entlang der zur Systemgrenze zwischen Osten und Westen gewordenen ehemalig etwa 1 400 km langen Demarkationslinie eingerichtet mit umfangreichen Sperranlagen, u. a. Stacheldraht, 23-33 m breiter »Schutzstreifen« mit Minen und Minenfeldern (1982-85 erstmals 1,3 Mio. Tretminen entfernt), Gräben, Stolperdrähten, optische und elektrische Warnanlagen, Schussvorrichtungen (Selbstschussanlagen; September 1983 bis November 1984 zum Teil abgebaut) sowie Wachtürme, Erdbunker, Lichtsperren, Hundelaufanlagen, und erneutem Schießbefehl (bis 3. 4. 1989; deutsche Geschichte). Zur Überwachung der Grenze (umgangssprachlich Mauer genannt) und des Grenzgebietes (Schutzstreifen und Sperrzone) setzte die DDR-Regierung das »Kommando Grenze« beziehungsweise Grenztruppen der Nationalen Volksarmee (unterstützt durch freiwillige Grenztruppenhelfer) sowie eine »Grenzbrigade Küste« ein (erneute Grenzordnung vom 1. 9. 1972). Erst Ende 1996 wurde bekannt, dass die SED-Führung die innerdeutsche Grenze bis zum Jahr 2000 mit elektronischen Mitteln perfektionieren wollte.Das Berlinabkommen (3. 9. 1971 und das Transitabkommen (17. 12. 1971 brachten Erleichterungen im Verkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West), der Verkehrsvertrag (22. 9. 1972 Verbesserungen im Reiseverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die innerdeutsche Grenze. Im Rahmen des Grundvertrags nahm eine Grenzkommission der Bundesrepublik Deutschland und der DDR ihre Arbeit auf (1978 Unterzeichnung eines Regierungs-Protokolls über die Grenzmarkierung, v. a. im Zusammenhang mit dem Elbverlauf, und die Regelung weiterer Grenzprobleme).Grenzübergangsstellen bestanden (1952-89; dann stark erweitert) für den innerdeutschen Straßenverkehr in Gudow-Zarrentin, Helmstedt-Marienborn (seit 1996 Gedenkstätte), Herleshausen-Wartha, Lauenburg-Horst (bis zur Inbetriebnahme der Autobahn Hamburg-Berlin 1982) sowie in Rudolphstein-Hirschberg (seit 1982 außer Berlinverkehr zusätzlich in Lübeck-Selmsdorf; eingeschränkt auf Personenverkehr zusätzlich in Bergen-Salzwedel, Duderstedt-Worbis, Eußenhausen-Meiningen, Rollenbach-Eisfeld); Übergangsstellen im Eisenbahnverkehr waren Bebra-Gerstungen, Büchen-Schwanheide, Helmstedt-Marienborn, Hof-Gutenfürst sowie Ludwigsstadt-Probstzella (seit 1982 außer Berlinverkehr zusätzlich in Lübeck-Herrnburg und Wolfsburg-Oebisfelde); im Binnenschiffsgüterverkehr bestanden Übergangsstellen in Schnackenburg-Cumlosen und Rühen-Buchhorst. Darüber hinaus hatten die Bewohner von 58 grenznahen Stadt- und Landkreisen die Möglichkeit, zu Tages- oder Zweitagesaufenthalten in den grenznahen Bereich der DDR einzureisen (grenznaher Verkehr).Mit der überraschenden - von der Bevölkerung faktisch erzwungenen und im Verlauf konfusen - Öffnung der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze am 9./10. 11. 1989 durch die DDR-Regierung begann die schnelle Entwicklung zur Wiedererlangung der staatlichen Einheit Deutschlands (deutsche Einheit); die innerdeutsche Grenze verlor ihren Charakter als Staatsgrenze. Es kam zum systematischen Abbau der Grenzsicherungsanlagen; Reste blieben als Denkmal oder Gedenkstätten erhalten, u. a. in Mödlareuth (Thüringen, Bayern), bei Geisa (Thüringen) und Rasdorf (Hessen), in Hötensleben (Sachsen-Anhalt). Nach neueren recherchierten Angaben haben die Grenzsicherungsmaßnahmen seitens der SBZ/DDR 1948-89 bei etwa 233 000 Fluchtversuchen insgesamt 960 Todesopfer gefordert (davon - seit 1949 - 254 an der Berliner Mauer). Da die Behörden der DDR aber auch Todesfälle verschleierten, wird inzwischen davon ausgegangen, dass eine größere Anzahl von Todesopfern anzunehmen ist (etwa 1000). Über die Ostsee verliefen etwa 700 Fluchtversuche erfolgreich, mindestens 2 300 scheiterten (189 Todesopfer). - Von den insgesamt ehemaligen 660 km verminter Abschnitte an der innerdeutschen Grenze waren 1991-95 etwa 400 km noch nicht absolut minenfreier Abschnitte zu räumen; außerdem mussten 1 455 km »vorderer Sperranlagen« abgebaut werden. - Wegen der Todesfälle an der innerdeutschen Grenze begann am 13. 11. 1995 - nach vorangegangenen Prozessen (so genannte Mauerschützenprozesse) gegen Soldaten und Generäle der DDR-Grenztruppen sowie gegen E. Honecker u. a. Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR - ein Prozess gegen Mitglieder des ehemaligen Politbüros der SED (strafrechtliche Relevanz am 12. 11. 1996 durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt; Urteilsverkündung am 25. 8. 1997); dabei wurde von den Betroffenen (u. a. E. Krenz) versucht, die Verantwortung für das Grenzregime der UdSSR zuzuweisen.Hans H. Hertle: Chronik des Mauerfalls. Die dramat. Ereignisse um den 9. November 1989 (1996);V. Koop: »Den Gegner vernichten«. Die Grenzsicherung der DDR (1996);H. Rosenau: Tödliche Schüsse im staatlichen Auftrag. Die strafrechtliche Verantwortung von Grenzsoldaten für den Schusswaffengebrauch an der deutsch-deutschen Grenze (1998);Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:Deutschland: Das geteilte Deutschland 1955 bis 1985
Universal-Lexikon. 2012.